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AutorenbildRobert Sedlaczek

Alma Zadić und das generisches Femininum: ein Faktencheck

Aktualisiert: 3. Aug. 2023

Justizministerin Alma Zadić von den Grünen hat einen Gesetzesentwurf in den Ministerrat zur Begutachtung eingebracht, in dem durchgängig das generische Femininum verwendet wird. Hier ein Faktencheck:


Was ist ein generisches Femininum? Es handelt sich um Personenbezeichnungen mit der Endung -erin, die auf Vorschlag der feministischen Sprachwissenschafterin Luise F. Pusch spiegelbildlich zum generischen Maskulinum verwendet werden sollen. Sie vertritt seit 1984 die Position, dass in "Lehrerin" auch "Lehrer" enthalten ist, weshalb mit "Lehrerin" auch die männlichen Lehrkräfte mitgemeint seien. Das Femininum sei die Grundform, das Maskulinum die Schwundform. Dies ist sprachwissenschaftlich nicht haltbar. Es handelt sich um einen ideologisch motivierten Gegenentwurf zum generischen Maskulinum - bei "Lehrer" sind im allgemeinen Sprachgebrauch die weiblichen Lehrkräfte tatsächlich mitgemeint.


Sind nicht auch Wörter wie "die Person", "die Lehrkraft" generische Feminina? Nach der traditionellen Grammatik gibt es ein generisches Maskulinum (der Mensch), ein generisches Femininum (die Person) und ein generisches Neutrum (das Kind), generisch heißt: alle Geschlechter sind mitgemeint. Die feministischen Linguistinnen definieren anders, nämlich im obigen Sinn, und zwar in Bezug auf Personenbezeichnungen auf -erin: Lehrerin, Gründerin etc.


Wozu dieses generische Femininum? Die „totale Feminisierung“ der Sprache soll nach den Vorstellungen von Luise Pusch "für die nächsten 1000 Jahre" verwendet werden als "Empathietraining" für Männer. Sie sieht darin eine Art Rotationsprinzip: "Jetzt sind einmal die Frauen dran."


Wie begründet Alma Zadić die Gesetzesvorlage? In einer schriftlichen Erklärung von Zadić an die Zeitung "Der Standard" heißt es: "Mit dem Entwurf für die flexible Kapitalgesellschaft haben wir zum ersten Mal ein Gesetz vorgestellt, das rein in der weiblichen Form geschrieben ist. Das war mir wichtig, denn damit machen wir die Rolle von Gründerinnen in Österreich sichtbarer." Außerdem leiste man mit diesem Gesetzestext einen Beitrag "zu mehr Geschlechtergerechtigkeit, denn Sprache beeinflusst unser Denken, unsere Wahrnehmung und unser Handeln."


Kollidiert dieser Gesetzesentwurf nicht mit der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt? Nein. Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs läuft darauf hinaus, dass im Amtsverkehr mit den Bürgern, zum Beispiel in Formularen, dieser Umstand berücksichtigt werden muss, das generische Maskulinum in Gesetzestexten wurde nicht in Frage gestellt. Außerdem hat sich Alma Zadić gegen etwaige Vorwürfe dieser Art mit einer Generalklausel abgesichert. In Paragraf 27 heißt es: "Soweit in diesem Bundesgesetz auf natürliche Personen bezogene Bezeichnungen nur in weiblicher Form angeführt sind, beziehen sie sich auf alle Geschlechter in gleicher Weise." Es heißt also ausdrücklich "alle Geschlechter", und nicht "beide Geschlechter".


Was sagt der Verfassungsdienst zum Gesetzesentwurf? Der Verfassungsdienst ist eine Sektion des Bundeskanzleramtes, er ist die anwaltliche Vertretung der Bundesregierung und auch für die Erstellung von Rechtsgutachten zuständig, auch in Streitfällen zwischen den Bundesministerien. Er vertritt in dieser Causa die Meinung, dass statt des generischen Femininums Doppelformen verwendet werden sollen, wie dies in bereits verabschiedeten Bundesgesetzen geschehen ist, zum Beispiel im Universitätsgesetz: "Die Leistungen der Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren sowie der Universitätsdozentinnen und Universitätsdozenten und der wisssenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Forschungs-, Kunst- und Lehrbetrieb sind regelmäßig, zumindest aber alle fünf Jahre, zu evaluieren." Heinz Mayer hat mehrfach darauf hingewiesen, dass die Lesbarkeit unter der Verwendung von Doppelformen leidet.


Gibt es in Österreich auf anderer Ebene bereits Gesetze mit generischen Feminina? Ja. Im Jahr 2013 wurde unter Federführung von Soziallandesrätin Christine Baur (die Grünen) und unter Landeshauptmann Günther Platter (VP) das Tiroler Kinder- und Jugendhilfegesetz durchgehend in weiblicher Form abgefasst. Dort heißt es beispielsweise: "In der Funktion als Ombudsstelle für Kinder und Jugendliche ist der Kinder- und Jugendanwältin und deren Mitarbeiterinnen Zugang zu allen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen (...) zu gewähren." Eine Generalklausel, dass auch Männer mitgemeint sind, weil es auch männliche Kinder- und Jugendanwälte sowie männliche Mitarbeiter gibt, existiert in dem Landesgesetz nicht.


Gibt es nicht in Deutschland bereits ein Bundesgesetz mit generischen Feminina? Nein. Der Vorfall, auf den medial oft Bezug genommen wird, war etwas anders gelagert. Es ging primär um die im Juristendeutsch übliche Praxis, dass bei juristischen Personen auf Kongruenz hinsichtlich des Genus geachtet werden muss: Auftraggeberin ist die Stadt Wien. Da "Stadt" ein Femininum ist, heißt es Auftraggeberin und nicht Auftraggeber. Aber: Auftraggeber ist der Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, das Bundesministerium für Finanzen etc. Im September 2020 erstellte das Berliner Justizministerium unter Christine Lambrecht (SPD) einen Gesetzentwurf zu einem geänderten Insolvenzrecht, in dem mehr als 600 Mal Personenbezeichnungen in weiblicher Form gebraucht wurden (Gesellschafterinnen, Schuldnerinnen, Gläubigerinnen). Erklärt wurde dies mit dem grammatisch weiblichen Geschlecht der behandelten Einrichtungen als juristische Personen (die Aktiengesellschaft, die GmbH), auf die sich die weiblichen Formen aus Gründen der grammatischen Übereinstimmung mit dem Referenzwort bezögen (eine Gesellschaft als Schuldnerin). Das Bundesinnenministerium unter Horst Seehofer (CSU) hatte gegen die Formulierungen im Entwurf aus formalen Gründen Widerspruch eingelegt: Hier sei das generische Femininum verwendet worden und das sei "zur Verwendung für weibliche und männliche Personen bislang sprachlich nicht anerkannt". Das Ministerium habe Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes und es bestehe die Gefahr, der Gesetzestext könnte nur für Frauen gelten. Entsprechend seien die Personenbezeichnungen im generischen Maskulinum an die geltenden Regeln anzupassen; Frauen wären dabei mitgemeint. Aus Zeitgründen ließ das Justizministerium den Gesetzentwurf umschreiben, und zwar zu männlichen Formen (Gesellschafter, Schuldner, Gläubiger) und zu einigen Paarformen. So wurde der Entwurf Mitte Oktober 2020 in der Regierung beschlossen. (Quelle: Wikipedia)


Wie reagierte die ÖVP auf den Gesetzesentwurf von Alma Zadić? ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker meinte im Ö1-Morgenjournal vom 28. Juli: "Ich wüsste nicht, welchen Beitrag man für Geschlechtergerechtigkeit dadurch leistet, dass etwas, was man kritisiert, einfach umgedreht wird." Er glaube, dass damit "ein wenig das Sommerloch gefüllt wird, ein qualitativer Beitrag ist damit nicht geleistet". Stocker plädierte für Paarformen. Im Justizministerium wies man darauf hin, dass der Gesetzestext bereits vor Monaten mit der ÖVP koordiniert und vom Koalitionspartner nicht beanstandet worden sei. Im Ministerrat herrscht das Einstimmigkeitsprinzip. Angesichts des Umstandes, dass die ÖVP die generischen Feminina im Gesetzestext offensichtlich übersehen hat, wird es also weitere Gespräche zwischen den zwei Regierungsparteien geben müssen.


Hinweis: Die traditionelle und in der Sprachwissenschaft allgemein anerkannte Definition von generischem Maskulinum, Femininum und Neutrum wurde am 3. August 2023 ergänzt.


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