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Es passt wie die Faust aufs Aug' – eine neue Bedeutung greift um sich

Autorenbild: Robert SedlaczekRobert Sedlaczek

Das ist Sprachwandel – was früher war, gilt nicht mehr. In meiner Jugend hat die Phrase "es passt wie die Faust aufs Aug'" nur eines bedeutet: Es passt ganz und gar nicht zueinander. Wenn aber heute Jugendliche die Phrase verwenden, meinen sie das Gegenteil: Es passt perfekt zueinander.


Die Neubearbeitung des Grimm‘schen Wörterbuchs - leider gibt es nur die Buchstaben A bis F, aber das reicht in diesem Fall, es geht um die Faust - , nennt eine alte und wohl ursprüngliche Verwendung: Es reimt sich wie die Faust auf das Auge.


Einer der ältesten Belege stammt von Luther, und zwar aus dem Jahr 1524: "Denn sprichst du: Wo reimet sichs hin? Fürets auch zu Christo? Da muss man sagen: nein, denn es geht allein auff die Jungfrawe Maria, des Herrn Christi Mutter, und auff ire Jungfrawschafft, dort reimet sichs denn also hin, gleich wie eine Faust auff ein Auge."


So wurde die Phrase jahrhundertelang verwendet und verstanden. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts kam es zu einem Vorgang, den die Sprachwissenschaft "ironische Verkehrung" nennt. Da haben sich ein paar (junge) Leute den Spaß gemacht, das Wort mit einer "verkehrten" Bedeutung zu gebrauchen, und das kam so gut an, dass es das Zeug hat, zur neuen Norm zu werden.


Wir leben nun in einer Übergangsphase: Ältere Menschen verwenden die Phrase mit der althergebrachten Bedeutung, die Jüngeren mit der neuen, gegenteiligen. Das mag verwirren. Aber schon in der nächsten Generation wird es keine Zweifel geben: Die Faust passt perfekt auf das Auge. 


 
 

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2 Comments


Erich Wallner
Mar 19

Da fällt mir ein anderes Beispiel für zwei gegenteilige Bedeutungen ein, allerdings ist das keine "ironische Verkehrung": Ein "frugales Mahl" kann ein üppiges Mahl sein: So steht es in Kluges etymologischem Wörterbuch: "In der Fügung 'frugales Mahl' wird meist 'reichhaltig' darunter verstanden." Dagegen schreibt der Duden: "bes. in Bezug auf Essen und Trinken: einfach, bescheiden, nicht üppig". Die etymologische Wurzel ist lat. fructus, Frucht. Das lässt beide Wege offen. Eher schon eine "ironische Verkehrung" ist im Englischen das Adjektiv "interesting". Wenn man etwas als "interesting" bezeichnet, kann das alles heißen von "vielversprechend" bis zu "Blödsinn".

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noemix.wordpress.com
Mar 20
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Der Bedeutungsumschlag, der aus “frugal“ ein sogenanntes Januswort werden ließ, dürfte aus der Verwechslung mit einem ähnlichen Adjektiv entstanden sein, denn ursprünglich gemeint war wohl ein “feudales“ Mahl.

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