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Political Correctness: Darf man die Bezeichnungen Indianer und Eskimo verwenden?

Autorenbild: Robert SedlaczekRobert Sedlaczek

Lassen wir diese Frage vom obersten Moralwächter der deutschen Sprache beantworten: Auf duden.de steht beim Stichwort "Indianer": "Unser Bild von Indianer beruht meist auf stereotypen Vorstellungen." Das ist eine Anregung, Karl-May-Bücher und Winnetou-Festspiele zu verbieten. Etwas weiter findet man einen "besonderen Hinweis": "Indianer, Indianerin sind Fremdbezeichnungen für Angehörige der indigenen Bevölkerung und gelten als diskriminierend. Eine übergreifende Selbstbezeichnung existiert nicht. Alternativen sind Formulierungen wie indigene Bevölkerungsgruppen Nord- und Südamerikas, Bezeichnungen für konkrete Bevölkerungsgruppen wie Cherokee, Navajo, Quechua, Mapuche oder Selbstbezeichnungen wie First Nations People of America oder Pueblos Originarios."


Indianer ist also ein problematischer Ausdruck, aber es gibt keine brauchbaren Alternativen im Deutschen. Sogar Udo Lindenberg bekommt dies zu spüren. Nun wird er wegen eines kabarettistischen Liedes, das er vor dem Mauerfall geschrieben hat, an den Pranger gestellt: "Entschuldigen Sie ist das der Sonderzug nach Pankow? / Ich muss mal eben dahin / Mal eben nach Ost-Berlin / Ich muss da was klärn mit eurem Oberindianer (!) / Ich bin ein Jodeltalent und will da spieln mit 'ner Band (...)" Nur "der kleine Udo" durfte nämlich im "Arbeiter- und Bauernstatt" nicht auftreten.


Nun zitiert aber die FAZ am 1. November 2024 die Katholische Nachrichtenagentur (KNA): Diese hat Carmen Kwasny, die Vorsitzende der Native American Association of Germany (NAAoG) um eine Stellungnahme gebeten: „Das Wort Oberindianer würde ich in einem solchen Zusammenhang heute nicht mehr verwenden“, sagte Kwasny der Agentur. Allerdings sei das Lied „Sonderzug nach Pankow“ in einer ganz anderen Zeit entstanden. Eine generelle Streichung des Wortes „Indianer“ aus dem deutschen Wortschatz sieht die NAAoG indes kritisch. „Das Wort ‚Indian‘ als rassistisch zu bezeichnen ist sehr problematisch, da es von vielen Native Americans verwendet wird“, erklärt Kwasny. „Ein Verbot ist ein Schlag ins Gesicht dieser Menschen, denn sie identifizieren sich mit ihrer Tribal Nation oder Community.“


Indianer ist die Übersetzung des englischen Wortes „Indian“, das auf die Zeit zurückgeht, als die ersten Europäer die dem amerikanischen Doppelkontinent vorgelagerten karibischen Inseln erreichten und sich dort, auch aufgrund einer fehlerhaften Berechnung des Erdumfangs, in Indien wähnten. Angewandt auf die Ureinwohner Nordamerikas wurde das Wort später auch Ausdruck einer gewissen Faszination der Europäer für diese Völker.


Aus dem Fremdbegriff Indianer sei im Laufe der Jahre oft eine Eigenbezeichnung geworden, erklärt Carmen Kwasny. Sie verweist auf ein Verzeichnis der von der amerikanischen Regierung anerkannten Native American Tribes. Bei sehr vielen Stammesnationen und Communitys ist das Wort "Indian" bis heute ein Teil ihres Namens. "Vor dem geschichtlichen Hintergrund betrachtet, ist es äußerst problematisch, solche Verbotsentscheidungen über die Köpfe dieser Menschen hinweg zu treffen", sagt die NAAoG-Vorsitzende. Genau das sei während der Kolonialzeit geschehen.


Beim Stichwort "Eskimo" lautet auf duden.de der "besondere Hinweis": "Die Bezeichnung Eskimo für Personen wird gelegentlich als diskriminierend empfunden, obwohl die ursprüngliche Wortbedeutung "Rohfleischesser" inzwischen als sprachwissenschaftlich widerlegt gilt. Als Ausweichbezeichnung wurde Inuit vorgeschlagen; diese bezieht sich jedoch nur auf einen Teil der Völkergruppe."


Das Herkunftswort hat "Schneeschuhknüpfer" bedeutet, und Inuit sind nur die Sprecher der östlichen Eskimo-aleutischen Sprachen auf Grönland und in Zentral- und Nordostkanada; die weiter westlich lebenden Yupik sind keine Inuit, aber sie sind Eskimos.

Vielleicht beginnt sich eines Tages auch beim Wort Indianer das Blatt zu wenden,

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Ich danke Univ.-Prof. Stefan Michael Newerkla für den Hinweis auf den FAZ-Beitrag; dort findet sich auch eine Literaturempfehlung: Lyle Campbell, American Indian Languages: The Historical Linguistics of Native America, Oxford University Press 1997, S. 394.

1 Kommentar

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댓글 1개


erich.wallner
2024년 12월 11일

Wieso stößt sich eigentlich niemand an den "Westindischen Inseln"?

Wo bleibt der Protest der "echten" Inder?

Ich verweise auf den Fall "Nordmazedonien".

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